Ein Jahr danach
Die Ablehnung des Irak-Krieges war richtig
Am 20. März des letzten Jahres begann der Irak-Krieg. Es
sei richtig gewesen, diesen Krieg abzulehnen, so Kerstin Griese. Die Argumente
von damals hätten sich bestätigt. Gernot Erler, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender
hat eine Zwischenbilanz des Irak-Krieges in sechs Punkten zusammengefasst:
- Legitimation: Es gibt sie heute weniger als vor einem Jahr. Die angeblich
sicheren Erkenntnisse über Saddams Atomwaffen haben sich in Luft aufgelöst.
Immer mehr am Irak-Krieg beteiligte Staaten fühlen sich getäuscht oder
gar betrogen.
- Bush-Doktrin: Sie liegt am Boden. Der Anspruch Amerikas, in Schurkenstaaten,
die sich westlichen Interessen verweigern und sich gefährliche Waffen beschaffen
wollen, notfalls mit militärischen Mitteln einen Regimewechsel herbeiführen
zu dürfen, zerschellt an den real existierenden Erfahrungen mit dieser Doktrin
im Irak. Dieses Scheitern öffnet Raum für andere, etwa von Europa zu
konzipierende Konfliktlösungsstrategien.
- Rolle UN: Bushs Irak-Krieg-Entscheidung schob die Vereinten Nationen brutal
auf die Seite. Ein Jahr danach wächst das Drängen auf eine neue Rolle
der UN, auch im Irak. Heute wissen wir: Die Arbeit von Blix und El Baradei ist
nicht gescheitert. Die Inspektoren von UNSCOM und UNMOVIC hatten Saddams Programme
tatsächlich unter Kontrolle auf dem Holzweg waren CIA und britischer Geheimdienst.
Das Mittel Waffeninspektoren der Vereinten Nationen ist nicht stumpf, es bietet
sich weiter an für die Kontrolle in Problemstaaten.
- Die Lage im Irak: Nach dem Krieg ist weiter Krieg. Die Schreckensherrschaft
von Saddam ist vorbei, aber nicht der Schrecken. Er kommt jetzt aus täglichen
Attentaten, aus den ungelösten ethnischen und religiösen Konflikten
und der Mühsal des Nation Building. Eine Erfahrung von Bosnien-Herzegowina,
über Kosovo bis Afghanistan setzt sich fort: Militärische Interventionen
zur Veränderung von Gesellschaften führen zu langfristigen Verpflichtungen,
sie binden enorme Kräfte und sie produzieren astronomische Kosten. Diese
Erfahrungen stützen die Grenzsetzung des Völkerrechts, das eine militärische
Intervention nur zur Abwehr einer anders nicht abzuwehrenden unmittelbaren Gefahr
zulässt. Der Fall Irak ist auf dem Weg, die materiell und politisch kostspieligste
Verletzung dieser Regel zu werden, die es je gab.
- Kampf gegen den global agierenden Terrorismus: Der Irak-Krieg hat nicht den
Terrorismus, sondern die weltweite politische Koalition gegen die Terrornetzwerke
geschwächt. Ein Jahr nach Kriegsbeginn ist die Spaltung in Befürworter
und Gegner der Intervention noch immer nicht endgültig überwunden. Das
Legitimationsdefizit beschäftigt die Gesellschaften Amerikas und der Coalition
of the Willing. Im Irak, vor dem Krieg ein Null-Aktionsfeld für Al
Qaida, finden die Terror-Aktivisten heute verwundbare Ziele und neue Rekrutierungschancen.
Die dort gebundenen Kräfte und Mittel fehlen anderswo für eine wirksame
weltweite Antiterrorstrategie.
- Die deutsche Haltung: Sie wurde bestätigt. Das Nein zum Irak-Krieg folgte
Prinzipien, alle Erfahrungen des letzten Jahres haben diese bestätigt. Deutschland
stellt sich der internationalen Verantwortung, vor allem in Afghanistan, wo es
tatsächlich von Anfang an um den Kampf gegen den Terrorismus ging. Im Rahmen
des mühseligen Nation-Building-Prozesses im Irak, der noch ganz am Anfang
steht, bestehen Deutschlands Beiträge im nichtmilitärischen Bereich,
die ebenso Anerkennung finden wie das umfangreiche Afghanistan-Engagement. Aus
Deutschland kommen neue Impulse für ein politisches Gesamtkonzept für
den Frieden im Großraum Nahost. Ein Jahr nach dem Beginn des Irak-Krieges
gibt es keinen einzigen Grund, an dieser politischen Linie etwas zu ändern.
Kerstin Griese findet es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung
erheblichen Finanzmittel in die humanitäre Hilfe für den Irak gesteckt
hat. So seien 2003 11 Millionen Euro für die Nothilfe, für internationaler
Hilfsorganisationen (Rotes Kreuz, UNHCR, Welternährungsprogramm) 19 Millionen
Euro und im Rahmen der humanitären Hilfe der EU noch einmal 23 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt worden. Der deutsche Anteil an EU-Wiederaufbauhilfe
betrage insgesamt 45 Millionen Euro. Zusätzlich seien Mittel in Höhe
von 44 Millionen Euro über die Weltbank zur Verfügung gestellt, so dass
Deutschland für 2003/04 mit einem Gesamtbeitrag in Höhe von zirka 145
Millionen Euro im Irak engagiert sei.
Frankfurter
Rundschau: Irak nach dem Krieg
20.3.04
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