AP 12. Oktober 2000

Bundestag verurteilt einhellig rechtsextremistische Gewalt

Debatte nach Anschlägen auf Synagogen – NPD-Verbot über die Parteigrenzen hinweg umstritten

Berlin (AP) Politiker aller Parteien haben rechtsextremistische Gewalttaten und Anschläge auf Synagogen mit allem Nachruck verurteilt. Über die Parteigrenzen bekannten sie sich am Donnerstag in einer Debatte im Bundestag unter dem Titel „Jüdisches Leben in Deutschland“ zu Toleranz. Dabei wurde deutlich, dass der von Bundeskanzler Gerhard Schröder befürwortete Antrag zum Verbot der NPD in allen Fraktionen umstritten ist. In die Kritik der Koalitionsparteien SPD und Grüne sowie der FDP geriet die Ankündigung des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, wonach der nächste Wahlkampf mit dem Thema Ausländer und Zuwanderung geführt werde. Der CSU-Abgeordnete Wolfgang Bötsch verteidigte Merz unter Berufung auf ein Wort von Bundespräsident Johannes Rau, wonach Zuwanderung bei vielen Menschen gute und weniger gute Empfindungen wecke. Merz hatte zuvor erklärt, dass die Angriffe auf jüdische Einrichtungen nicht nur auf die hier lebenden jüdischen Bürger zielten, sondern auf die gesamte deutsche Gesellschaft. Die Mehrheit verdamme solche Gewalttaten und sei solidarisch mit den jüdischen Gemeinden. Den „geistigen Entwurzelungen“ muss nach den Worten von Merz mit „geistiger Orientierung“ entgegengesetzt werden. Wichtig sei, dass der Rechtsextremismus politisch bekämpft werde. Die Bundesregierung müsse entscheiden, ob sie genügend Material habe, das Verbot der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Die SPD-Abgeordnete Gabriele Fograscher fragte Merz, wie seine Forderung nach geistiger Orientierung mit der Ankündigung zusammenpasse, dass das Thema Ausländer zum Wahlkampfthema gemacht werde. Ihr Fraktionskollege Sebastian Edathy und andere Redner sagten, das Anwachsen der mehr als 83 jüdischen Gemeinden auf über 80.000 Mitglieder sei weitgehend auf Zuwanderung zurückzuführen. Diese Menschen hätten einen Anspruch auf ein Leben ohne Angst. Nachrückerin Kerstin Griese von der SPD sagte in ihrer ersten Rede, das sofortige Erscheinen des Bundeskanzlers in Düsseldorf nach dem Anschlag auf die dortige Synagoge habe unterstrichen, dass sich der Staat auf die Seite der Betroffenen gestellt habe.

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