Tagung zu Frieden und Verantwortung im 21. Jahrhundert

„Die Welt ist aus den Fugen geraten“, zitierte Kerstin Griese zur Eröffnung einer großen friedenspolitischen Tagung einen Satz von Frank-Walter Steinmeier. „Terror ist GotteslĂ€sterung“, sagte Griese und wies darauf hin, dass Religion in vielen Konflikten der Welt instrumentalisiert werde.

Mehr als 300 GĂ€ste auf der Tagung im SPD-Fraktionssaal.

Mehr als 300 GĂ€ste auf der Tagung im SPD-Fraktionssaal.

Die SPD-Bundestagsfraktion kooperiert bei der DurchfĂŒhrung der Tagung mit dem AK Christinnen und Christen in der SPD.

Die SPD-Bundestagsfraktion kooperiert bei der DurchfĂŒhrung der Tagung mit dem AK Christinnen und Christen in der SPD.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Hauptredner der Tagung.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Hauptredner der Tagung.

Rolf MĂŒtzenich, Heinz-Gerhard Justenhoven, Wolfgang Thierse und Hans-Richard Reuter.

Rolf MĂŒtzenich, Heinz-Gerhard Justenhoven, Wolfgang Thierse und Hans-Richard Reuter.

Barbara Stolleis, Niels Annen, Daniyel Demir und Ulrich Pöner.

Barbara Stolleis, Niels Annen, Daniyel Demir und Ulrich Pöner.

Thomas Hitschler, Diana Stachowitz, Cornelia FĂŒllkrug-Weitzel und Ute Finckh-KrĂ€mer.

Thomas Hitschler, Diana Stachowitz, Cornelia FĂŒllkrug-Weitzel und Ute Finckh-KrĂ€mer.

Wolfgang Thierse fasst zum Schluss die Ergebnisse der Tagung zusammen.

Wolfgang Thierse fasst zum Schluss die Ergebnisse der Tagung zusammen.

Kerstin Griese hatte als SPD-Fraktionsbeauftragte fĂŒr Kirchen und Religionsgemeinschaften gemeinsam mit den Außenpolitikern Rolf MĂŒtzenich und Niels Annen zur Frage der friedensethischen GrundsĂ€tze in das ReichstagsgebĂ€ude eingeladen. „Wir sind besorgt ĂŒber die vielen ungelösten Konflikte und die Kriege im Nahen und Mittleren Osten, in der Ukraine und in Afrika. Die Terrormiliz IS, deren Hassprediger auch junge Menschen aus Europa fĂŒr ihren Kampf gewinnen, wĂŒtet barbarisch“, so Griese. „Immer wieder werden in den aktuellen Konflikten religiöse Minderheiten brutal angegriffen, verfolgt, verschleppt, gefoltert und ermordet. Religionen werden aus ihren jahrtausendealten Herkunftsgebieten vertrieben.“ Das betrĂ€fe besonders Christinnen und Christen, die bedrĂ€ngt und verfolgt werden, aber auch die Jesiden und andersglĂ€ubige Muslime, sagte sie zu Beginn der Tagung.

„In Angesicht von scheinbar unertrĂ€glichen Situationen trĂ€gst du Verantwortung fĂŒr dein Tun genauso wie fĂŒr dein Nichttun“, sagt Frank-Walter Steinmeier zu einer Verpflichtung, die ein Sozialdemokrat und ein Christenmensch gleichermaßen habe. Realismus sei gefordert, betont der Außenminister, der beispielhaft auf Syrien blickt. „Es ist eine moralische Pflicht, das Blutvergießen zu beenden.“ Viele hĂ€tten zu lange geglaubt, die Beendigung des Syrienkonflikts sei allein mit militĂ€rischen Mitteln zu erringen.“ Aber es gehe auch nicht ohne MilitĂ€r, betonte Steinmeier. Der IS hĂ€tte mit seiner Mischung aus „mittelalterlicher Barberei und Smartphone“ ansonsten die gesamte Region erobert.

Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Hamburger Instituts fĂŒr Theologie und Frieden, wies auf die Frage hin, auf welche Weise Staaten ihre Interessen verantwortbar und ethisch legitim durchsetzen und dabei auch die Interessen der anderen mit in den Blick nehmen. FĂŒr sich selbst sollen Christenmenschen eine pazifistische Haltung einnehmen, sagte Hans-Richard Reuter vom Exzellenzcluster Religion und Politik MĂŒnster. Wenn man aber fĂŒr andere Verantwortung trĂ€gt, mĂŒsse man durchaus auf die „zwangsbewehrte Rechtsordnung“ zurĂŒckgreifen. „Wir brauchen nicht nur Regeln, sondern auch Institutionen in der internationalen Politik“, fĂŒhrte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf MĂŒtzenich aus. Er mĂŒsse die WidersprĂŒche in der internationalen Politik aushalten, die WidersprĂŒche aber auch benennen.

Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, unterstrich, wie nahe der Konflikt in Syrien an Deutschland herangerĂŒckt sei. Verstehen könne man die dortigen Konfliktursachen nur mit einem Blick auf die Geschichte und mit einem VerstĂ€ndnis fĂŒr die Angst der unterschiedlichen Minderheiten vor der Herrschaft der Mehrheit. Unterschiedliche Gruppen gegeneinander auszuspielen und sie zum Komplizen der Herrschaft zu machen – diese von seinem Vater entwickelte Herrschaftsmethode habe Baschar al-Assad „zur perversen Perfektion“ entwickelt, erlĂ€uterte Annen. Von den sĂ€kularen Herrschern, zu denen auch Assad gehört, habe man sich Toleranz erhofft. „Stattdessen haben sie dem religiösen Fundamentalismus den Weg bereitet“, so der SPD-Außenpolitiker.

Das aramĂ€ische Christentum sei in Syrien und im Irak vom Aussterben bedroht, sagte Daniyel Demir, Vorsitzender der AramĂ€er in Deutschland. „Die Christen waren elementarer Teil der Zivilbevölkerung.“ Sie könnten auch in der Zukunft eine SchlĂŒsselrolle einnehmen. Sie hĂ€tten immer „ziemlich gut als Mediator und Mittler“ zwischen den Gruppen agiert, so Demir. „Ich habe sehr viele Christen gesprochen, die auf dem Sprung sind, berichtete Ulrich Pöner von der Deutschen Bischofskonferenz aus GesprĂ€chen in FlĂŒchtlingslagern. „Wir wĂŒnschen als Kirchen in Deutschland, dass möglichst viele Christen da unten bleiben“, er sei aber gegen politische-administrative HĂŒrden, die die Menschen zum Bleiben zu zwingen. Barbara Stolleis berichtete, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung mit Gruppen kooperiere, die teilweise im Exil seien und eher als Netzwerke zu verstehen seien, die mittels Internet und „auf abenteuerlichen Wegen“ funktionieren.

Die bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz fragte anschließend nach den Chancen und Grenzen ziviler KonfliktprĂ€vention. „Die finanziellen Mittel fĂŒr KrisenprĂ€vention und humanitĂ€re Hilfe sind deutlich aufgestockt worden“, antwortete SPD-MdB Ute Finckh-KrĂ€mer. Der Vorrang fĂŒrs Zivile mĂŒsse zum Markenzeichen deutscher Politik werden, und zwar ressortĂŒbergreifend, sagte Brot-fĂŒr-die-Welt-Chefin Cornelia FĂŒllkrug-Weitzel. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler fordert, dass die Mandate fĂŒr BundeswehreinsĂ€tze nicht nur die militĂ€rische Seite umfassen sollten, sondern dass in Zukunft gleichzeitig auch das zivile Instrumentarium beschrieben werden mĂŒsse. „Wir kommen sehr unverdĂ€chtig daher“, berichtete der Verteidigungsexperte von seinen Reisen in verschiedene Konfliktregionen. Deutschland habe oft mehr Möglichkeiten als die ehemaligen KoloniallĂ€nder oder die USA und Russland.

„Gegen Resignation und Zynismus mit Leidenschaft und Geduld Außenpolitik betreiben“, darum gehe es, sagte Wolfgang Thierse und berief sich auf Willy Brandt und Frank-Walter Steinmeier. Das Ende der Zweiteilung der Welt, habe dazu gefĂŒhrt, dass viele Instrumente nicht mehr zur RealitĂ€t passen. „Christliche Friedensethik muss das reflektieren“, so Thierse, der zusammen mit Kerstin Griese Sprecher vom Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD ist. „Was darf den Vorrang von Menschenrechten relativieren?“, fragt Thierse und wies darauf hin: „Wandel durch AnnĂ€herung war keine Politik menschenrechtlichen Fundamentalismus.“ Religion dĂŒrfe nicht mit ihrer Ideologisierung verwechselt werden. „Wenn Religion ein Teil des Problems ist, dann muss sie auch Teil der Lösung sein“, betonte er zum Abschluss der Tagung „Friedensethische GrundsĂ€tze und politische Verantwortung im 21. Jahrhundert“.