Michael Roth, Kerstin Griese

Kerstin Griese trifft … Michael Roth

Europastaatsminister Michael Roth war zu Gast bei „Kerstin Griese trifft …“ in Wülfrath im Kaffee+Kunst. Auf die Frage, wie er ein derart begeisterter Europäer geworden ist, erinnerte sich Roth, der in Nordhessen unmittelbar an der innerdeutschen Grenze aufwuchs, an 1989.

Michael Roth, Kerstin GrieseMichael RothKerstin GrieseMichael Roth, Kerstin Griese„Kurz vor meinem Abi ging die Grenze auf“, sagte er. „Europa ist die Idee, ohne Angst verschieden zu sein. Ich will, dass das so bleibt.“

Michael Roth plädierte dafür, dass man über die EU „endlich mehr streiten“ müsse. Friedenssicherung, Klimaschutz, das soziale Europa aufzubauen, seien kontroverse Themen. Kerstin Griese, Sozialstaatssekretärin, stimmte Roth zu und wies darauf hin, dass die SPD für die EU einen Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des mittleren Einkommens fordert. „Armut trotz Arbeit verhindern und soziale Grundsicherung überall“, betonte Michael Roth ein wichtiges Thema für die Europawahl.

„Wir haben in Deutschland fast die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa“, sagte Griese. Die EU müsse in den Länder mehr investieren, in denen sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit herrsche. „Ich bin mit der Jugendgarantie, die junge Menschen innerhalb von vier Monaten in einen Job oder einen Ausbildung vermittelt, noch nicht zufrieden“, forderte Griese Veränderungen in der Europapolitik.

Michael Roth analysierte, dass sich die EU in einer Midlife-Crisis befindet. Griese fragte ihn, ob Europa eine Art Partnerschaftsberatung brauche. Ja, stimmte Roth zu, man habe verlernt, sich zuzuhören. Auch die deutsche Seite müsse sich verändern. „Wir sind nicht der größte Nettozahler, wir sind die größten Nettogewinner. Armutsinseln gefährden Arbeitsplätze in Deutschland. Wir leben davon, dass andere sich unsere Produkte leisten können“, unterstrich Roth.

„Der Traum von Europa ist kein Selbstläufer.“ Inzwischen gebe es viele autoritäre Entwicklungen, die auf Ordnung und Sicherheit setzten. Aber Rechtsstaatlichkeit könne man nicht uminterpretieren. „Respekt und Toleranz gilt überall. Da waren wir zu lange ein bisschen schweigsam“, sagte Michael Roth in Richtung Polen und Ungarn. „Wir brauchen einen Grundwerte-TÜV für alle Mitgliedsstaaten.“ Und weil manchmal das Portmonee näher liege als das gute Argument, müsse die ungarische Politik auch finanzielle Konsequenzen spüren. Roth wies darauf hin, dass fast 80 Prozent der öffentlichen Investitionen in Ungarn die EU bezahlt.

„Miteinander lernen, voneinander lernen, mal schauen wie die anderen es machen“, sei ein wichtiges Prinzip innerhalb der EU, sagte der Staatsminister auf Antwort auf eine Publikumsfrage. Das gelte insbesondere für die Digitalisierung. „Wir brauchen europäische Regeln. Frankreich hat einen starken Blick auf die Kreativen. In Deutschland haben uns die jungen Leute den Auftrag gegeben, für einen freien Zugang zum Internet zu sorgen“, beschrieb Michael Roth ein sehr schwieriges Thema, das allerdings nur einen Teil der Menschen bewegt. „Wir müssen Vorurteile abbauen. Wir müssen die Chancen sehen. Es war noch nie so leicht, einen Abgeordneten zu kontaktieren.“