Hatice Akyün und Kerstin Griese bei der Diskussion in Ratingen

Kerstin Griese trifft … Hatice Akyün

Die Schriftstellerin Hatice Akyün war für 100 unterhaltsame Minuten zu Gast bei „Kerstin Griese trifft …“ in Ratingen. Akyün sei ein „klassisches Gastarbeiterkind“, geboren in Anatolien und aufgewachsen in Duisburg, stellte Kerstin Griese ihren Gast vor.

Hatice Akyün in RatingenAkyün und GrieseHatice Akyün diskutiert im BürgerhausKerstin Griese im Frankenheim Bürgerhaus„Waren wir nicht mal viel weiter in der Integrationsdebatte?“, fragte die Bundestagsabgeordnete Griese. „Wir gehen drei Schritte vor und zwei zurück“, antwortete Hatice Akyün. „Unterschiedliche Migrantengruppen werden gegeneinander ausgespielt“, beklagte sie die aktuelle Diskussion über die Flüchtlinge. Begriffe wie „Asyltourismus“ vergiften die Diskussion, sind sich Akyün und Griese einig. „Ich habe das Gefühl, dass die CSU die AfD-Sprache übernommen hat“, so Griese. Sie wies darauf hin, inzwischen bereits ein Viertel alle Flüchtlinge in Arbeit seien.

Es gebe neben den Flüchtlingen noch viele andere Themen, betonte Hatice Akyün. „80.000 Pfleger fehlen, 300.000 Kita-Plätze fehlen, die Altersarmut“, zählte die Journalistin auf. „Ich habe das Gefühl, dass die Flüchtlinge ein Feigenblatt sind, um von anderen Themen abzulenken.“

Akyüns Vater ist 1969 nach Duisburg gekommen. „Nach zwei Wochen Einarbeitungszeit durfte er unter Tage fahren. Dann hat er in paar Kinder bekommen. Jetzt sitze ich hier“, erzählte Hatice Akyün. Wenn man den Flüchtlingen ein Leben, eine Aufgabe, eine Arbeit gebe, werden deren Kinder natürlich irgendwann auch sagen: „Deutschland ist meine Heimat.“

Griese fragte Akyün auch nach den Wahlen in der Türkei und der großen Zustimmung, die Erdogan bei den in Deutschland lebenden Türken findet. „Es gibt 3,1 Millionen Türkeistämmige“, sagte Akyün. „1,1 Millionen dürfen wählen.“ An der Referendumsabstimmung 2017 hätten 60 Prozent teilgenommen und davon 60 Prozent für Erdogan gestimmt. „Das ist nicht die Mehrheit der Türken“, rückte sie die Realität zurecht. Gleichwohl hat Akyün kein Verständnis dafür, dass jemand, der die Türkei nur aus dem Urlaub kennt, für Erdogan ist.

„Ich war auf der Hauptschule in Duisburg-Marxloh, und alle aus meiner Klasse haben eine Ausbildungsstelle bekommen“, beschrieb die 49-Jährige die damalige Situation ihrer Generation, die zwei Sprachen klar voneinander getrennt gelernt habe. Sie habe zuhause ihr türkisches Leben gehabt, und in der Schule ihr deutsches Leben. „Die dritte Generation ist in eine Mischkultur hereingeboren“, so Hatice Akyün. Außerdem habe sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert, die Eltern leben oft von Hartz IV. „Die Kinder suchen eine Identität. Und da kommt ein Erdogan.“ Kerstin Griese fragte Hatice Akyün auch nach Gündogan und Özil. „Ich war richtig sauer“, antwortete die Journalistin. „Weil ich seit Jahren durch die Republik reise und die Nationalmannschaft als Beispiel für Integration bezeichnet habe. Da haben die sich keinen Gefallen getan.“