Demografischer Wandel

Durch den demografischen Wandel befinden wir uns in einem Prozess, in dem unsere Gesellschaft Àlter wird. Das bedeutet, dass immer weniger Menschen arbeiten, wÀhrend immer mehr Personen in Rente sind. Aufgrund der höheren Lebenserwartung steigt die Anzahl der Jahre, in denen die Menschen Rentenleistungen beziehen.
In der Praxis heißt das: wĂ€hrend heute auf drei Erwerbspersonen eine Person im Rentenalter kommt, kommen im Jahr 2030 nur noch zwei Erwerbspersonen auf eine Person im Rentenalter.
Das birgt große Herausforderungen fĂŒr unsere sozialen Sicherungssysteme: denn je weniger Menschen in die Rentenkassen einzahlen im VerhĂ€ltnis zu denen, die Renten ausgezahlt bekommen, desto mehr muss das Rentenniveau sinken. Gleichzeitig wird sich der FachkrĂ€ftemangel verstĂ€rken, wenn weniger Menschen erwerbsfĂ€hig sind.
Eine Methode, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist, erwerbsfĂ€hige Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die bisher außerhalb standen.
Dazu gehört zum einen, die Potenziale Àlterer Menschen zu nutzen. In den letzten Jahren wurde in dieser Hinsicht bereits einiges erreicht: die ErwerbstÀtigenquote der Altersgruppe der 60-64-jÀhrigen ist im Zeitraum von 2000 bis 2014 von 19,6% auf 52,6% (1.Quartal 2015) gestiegen. Die ErwerbstÀtigenquote der 55-59-jÀhrigen lag zuletzt bei 76,5% und damit nahe dem Gesamtwert (20-64 Jahre) von 77,6% (1.Quartal 2015).
Dazu gehört auch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Durch den Ausbau von KitaplĂ€tzen und flexiblere Arbeitszeiten wird es jungen Eltern, aber insbesondere Frauen ermöglicht, frĂŒher wieder ins Erwerbsleben einzusteigen.
Um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken, mĂŒssen wir auch neue Perspektiven aus langer Arbeitslosigkeit, ganz besonders fĂŒr Ă€ltere Menschen, schaffen. Das ist der Politik der Bundesregierung mit verschiedenen Bundesprogrammen, zum Beispiel dem Programm „Perspektive 50+“, bereits gelungen. Hier mĂŒssen sich Politik und Gesellschaft weiter engagieren.
Damit viele Menschen in Zukunft einen qualifizierten Beruf ausĂŒben können, ist jetzt der Zeitpunkt, um uns auf den technologischen Fortschritt und die Digitalisierung einzustellen, Chancen zu nutzen und Herausforderungen zu erkennen und zu begegnen: durch den technologischen Fortschritt können körperliche Belastungen reduziert werden, was vor allem Ă€lteren Menschen zugutekommt. Gleichzeitig ist es wichtig, durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sicherzustellen, dass die FachkrĂ€fte von heute ĂŒber alle Qualifikationen verfĂŒgen, die sie fĂŒr die Arbeit von morgen benötigen.
Wichtig ist aber auch, die nicht aus dem Blick zu verlieren, die nicht bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Viele Menschen scheiden aufgrund von körperlichen und psychischen Leiden schon frĂŒher aus dem Erwerbsleben aus. Dabei gilt heute: die Seele hat den RĂŒcken abgelöst. Das ist eine große Herausforderung, weil psychische Belastungen schwieriger zu fassen sind und der gesellschaftliche Umgang damit komplizierter ist.
Derer, die nicht Schritt halten können, mĂŒssen wir uns annehmen. Hier ist zum einen wichtig, nach krankheitsbedingtem Aussetzen schnell Rehabilitationsmaßnahmen anzubieten, damit die Wiedereingliederung in den Beruf möglich ist. Andererseits ist PrĂ€vention wichtig: nur durch gesunde Arbeitsbedingungen und ein angenehmes Unternehmensklima kann krankheitsbedingte ErwerbsunfĂ€higkeit verhindert werden.
Durch die aktuelle FlĂŒchtlingssituation können wir demografischen Wandel heute ganz anders denken als noch vor wenigen Jahren. Wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, können FlĂŒchtlinge einen Beitrag leisten, um dem demografischen Wandel zu begegnen. Damit Integration gelingt, ist der Zugang zu Sprachkursen und eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt nötig. Dass 10% der GeflĂŒchteten recht schnell in Arbeit vermittelbar sind, ist schon eine sehr gute Quote. Nachdem die Zivilgesellschaft bei der Aufnahme der FlĂŒchtlinge in Vorleistung gegangen ist, muss die Politik jetzt nachziehen.
Franziska Schindler

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